Fr. 222.- für eine Saisonkarte im besten Skigebiet Europas. Verrückt meinten die einen, genial die anderen, als letzten Herbst dieses Crowdfunding Angebot angekündigt wurde. Eine Wintersaison später liegen erste Resultate vor. Zeit eine erste Bilanz zu ziehen. Aus Sicht Price Excellence wie auch aus Sicht der Destination und des Wintersports generell.
Es ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Hammerangebot. Anstatt der normalerweise über Fr. 1’000.- bietet Saas-Fee, das soeben wieder als eines der besten Skigebiete Europas ausgezeichnet wurde, eine Wintercard für Fr. 222.- an, sofern sich bis Ende November 99’999 Interessierte online dafür angemeldet haben. Das bis anhin grösste Crowdfunding Projekt in Europa hatte bekannterweise Erfolg.
Nur. Sollte es auch für die Destination Saas-Fee/Saastal eine Erfolgsgeschichte geben? Immerhin wird mit dem Angebot ein Rabatt von fast 80% auf die normale Saisonkarte gewährt, was normalerweise aus Rentabilitätsgründen nicht empfehlenswert ist und im schlechtesten Fall zu einem Preiswettbewerb führt. Aber erwartungsgemäss löste das Angebot ein riesen Medienecho aus und die Aktion war zeitweise in den Sozialen Medien Thema Nummer eins unter den Skibegeisterten.
Eine Saison später liegen erste Resultate vor und die lassen sich durchaus zeigen.
Erste Resultate der Wintercard Aktion
+ >300% Medienecho (Reichweite 6.64 Mio.)
+ 20% mehr Sessions auf www.saas-fee.ch
+ ca. 22% mehr Ankünfte in der Destination
+ über 40% mehr Ersteintritte bei den Saastal Bergbahnen
+ ca. 20-30% mehr Umsatz in Berggastronomie (+2 Mio. Fr.)
+ ca. 20%+ mehr Einnahmen aus Parkinggebühren
+ ca. 15% mehr Logiernächte im Vergleich zum Vorjahr (Hotellerie Saas-Fee: +22%)
+ positive finanzielle Beurteilung aus Sicht Bergbahnen trotz sehr hoher Kampagnenkosten
Die betriebswirtschaftlichen Ziele (Umsatz, Cash Flow, EBIT) der Bergbahnen wurden dem Vernehmen nach gut bis sehr gut erreicht. Das dürfte primär damit zusammen hängen, dass
- die variablen Kosten pro zusätzlichen Skitag sehr tief liegen und
- der Ertrag pro Skitag im Vergleich zu den Vorjahren nur im 1-stelligen Prozentbereich zurück ging!
Aber auch die anderen Leistungsträger wie Hotels, FeWo, Shops wie auch die Gemeinde haben davon profitiert. Welche Gründe gibt es also, unglücklich zu sein mir dieser Aktion? Es gibt aus Sicht des Autors mindestens zwei gewichtige Argumente, die sich in der Praxis erfahrungsgemäss als schwierig herausstellen und sich entsprechend nicht mit den Grundprinzipien von Price Excellence vereinbaren lassen.
Langfristige Strategie und Gefährdung der Preispositionierung
Man könnte sagen, dass Saas-Fee mit dieser Aktion definitiv und hochverdient das 1:0 erzielt hat. Die Schlussabrechnung muss man aber nach zwei Halbzeiten oder nach dem dritten Drittel machen. Was aus Sicht der Price Excellence bedrohlich werden könnte, ist dass die langfristig, auch international angestrebte Positionierung im obersten Segment damit torpediert wird. Saas-Fee wird mit seiner Lage auf über 1’800 M.ü.M auch langfristig, dank Schneesicherheit, zu den überlebenden Skigebieten in Europa gehören und ist angesichts des Schweizer Preisniveaus auch gezwungen, sich global gesehen bei einer relativ kleinen Oberschicht zu positionieren. Alle Voraussetzungen dazu sind vorhanden (Natur, Lage, Geschichte, Grundinfrastruktur) oder wären in den kommenden Jahren stärker auszubauen (Hotels, Skigebietsinfrastruktur, Rahmenbedingungen, Angebote). Weltweit gesehen wächst der Markt der Skifahrer immer noch und gerade für Menschen aus Ländern wie China, Südostasien oder Indien ist Skifahren in der Schweiz wie Windsurfen auf Maui. Das lang erträumte Non Plus Ultra.
Man könnte nun argumentieren, dass diese Aktion eine kurzfristige ist, die man jederzeit wieder zurücknehmen kann. Dagegen sprechen zwei Punkte. Erstens hat Saas-Fee soeben die Aktion um eine Saison verlängert; mit dem 3-Jahrespass faktisch den Zugang zu diesen Preisen von Anfang an längerfristig verankert. Zweitens hat diese Aktion den Erfolg grösstenteils auf Kosten anderer Skigebiete in der Schweiz erzielt. Das ist im Detail zwar noch zu evaluieren, aber kurzfristig wurden weder viele zusätzliche Skifahrer generiert noch viele Österreich-treue Urlauber zurückgewonnen. Entsprechend musste mit Reaktionen anderer Skigebiete gerechnet werden:
Erste, konkrete Konkurrenzreaktionen
Magic Pass, Verbund von 25 Skigebieten in der Westschweiz mit Saisonkarte für Fr. 359.- ab Saison 2017/18
Sportpass für Fr. 666 pro Saison für 4 grosse Berner Skigebiete
Andere angekündigte neuartige Rabattarten in Davos/Klosters, Verbier oder Flims/Laax
Weitere werden vermutlich folgen
Wenn dies dazu führen wird, dass sich das Schweizer Preisniveau für Skifahren auf einem deutlich tieferen Niveau einpendelt, dann ist das zunächst gegen die offensichtliche Grundstrategie der Winterdestination Schweiz und auch von Saas-Fee. Die Wette lautet: entweder massiv neue Skifahrer zurück zu gewinnen oder gar neu zum Skifahren zu animieren, oder der Nutzen für die Gesamtdestination überwiegt bei Weitem den Schaden tiefer Preise auf Seiten der Bergbahnen.
Ungleichgewicht von Value Generation und Capturing
Für das zweite Argument bräuchte es dann aber einen Mechanismus, wie die auf Seiten Bergbahnen geschaffenen Werte für die Kunden (Value Generation durch ein deutlich besseres Preis-/Leistungsverhältnis) so abgeschöpft werden können (Value Capturing), dass davon auch die Bergbahnen profitieren, oder allgemeiner gesagt sind die beiden Aspekte kongruenter zu gestalten, denn bisher ist der Preis für die anderen Leistungsträger (hier: Aufwand und Kosten) gering, deren Nutzen aber sehr hoch.
Wenn Saas-Fee ein Resort wäre mit nur einer Gewinn- und Verlustrechnung, dann würde es in der Gesamtbetrachtung für den einzelnen Player gut aufgehen. In der aktuellen Konstellation ist jedoch ein Mechanismus zu installieren, der einen Transfer von den Nettoprofiteuren zu den Nettozahlern ermöglicht. In Frage kämen bspw. folgende Ansätze:
Ansätze von Ausgleichstransfers
Kostenbeteiligung der Leistungsträger an den Kosten (zumindest der Marktbearbeitung und Kampagne)
Kostenbeteiligung der Leistungsträger an den gewährten Rabatten
Nutzenbeteiligung der Bergbahnen an den Mehrerträgen der Leistungsträger
Gemeinsame Weiterentwicklung der Wintercard. Integration von Kundenvorteilen durch Leistungen aller Leistungsträger (also nicht nur Angebot einer attraktiven Skikarte sondern Ausweitung auf Übernachtungen, Skimiete, Shopeinkäufe, Parkiergebühren etc.)
Die Lösungsansätze sind im Nachhinein all mehr oder weniger schwierig zu realisieren. Es empfiehlt sich jedem Nachahmer, daran frühzeitig zu denken und in die Konzeption einzubauen.
Fazit:
Die Bergbahnen von Saas-Fee haben als First Mover Mut und Risikobereitschaft gezeigt und sind dafür in einer ersten Runde belohnt worden.
Es gilt nun, die sich stellenden Herausforderungen vom Markt her wie auch das interne Ungleichgewicht in den kommenden Monaten auch noch zu verbessern, damit Saas-Fee mit der Wintercard auch am Ende als Sieger hervorgehen wird. Entsprechende Lösungen dürfen in den kommenden Saisons erwartet werden, soviel sei schon mal verraten.
Ich finde, dass diese Beurteilung, den Nagel auf den Kopf getroffen hat. Sieht man vom kurzfristigen finanziellen Nutzen ab, so sind die anstehenden offenen Punkte noch zu klären. Sicher stösst Saas Fee mit dieser Aktion eine gewisse „Flurbereinigung“ an. Die kleineren umliegenden Gebiete merken sicher einen rauheren Gegenwind.
Eine Bereinigung der schweizweiten Angebote und eine allfällige Konzentration auf weniger gebiete muss nicht schlecht sein. Nur ist es immer etwas anrüchig, wenn es von einem grossen gebiet mit Dumpingangeboten verursacht wird. Im Sinne des Wintersportes und des Bergtourismus hoffe ich, dass der Schuss mittel- bis langfristig nicht nach hinten losgeht.
In der Tat!
Wenn es nur ein „Dumpingangebot“ bleibt, wie Sie sagen, dann wäre niemandem geholfen.
Wenn Saas-Fee es schafft, daraus ein echtes Mehrwertprogramm für Ihre Kunden zu gestalten, dann könnte die Aktion Vorbildcharakter bekommen.
Dazu müssen alle Leistungsträger nun ihren Beitrag leisten…